Den letzten Teil der Sure 4:34 geben die meisten Übersetzungen falsch wieder. „Und diejenigen, deren Widersetzlichkeit ihr befürchtet, – ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie.“ Das Wort „wadribûhunna“, welches sich vom arabischen Wort „darabe“ ableitet, hat in Wirklichkeit 33 unterschiedliche Bedeutungen. Die passendste Bedeutung in diesem Vers ist „loslassen, sich eine Weile trennen“. Die Männer nahmen jedoch das Verb „schlagen“, um die Frauen unterdrücken zu können.
Bemerkenswert ist, dass die traditionelle Lehre in allen Belangen die Handlungen des Propheten zur Nachahmung empfiehlt, nur wenn es um das Schlagen geht, lässt sie seine Handlungen unbeachtet. Es gibt nicht einmal einen schwachen Hadith darüber, dass der Prophet jemals eine seiner Frauen geschlagen hätte. Es gibt hingegen authentische Hadithe wie diesen: „Könnte einer von euch seine Ehefrau schlagen, wie er einen Sklaven schlägt, und dann am Abend bei ihr liegen?“ Würde der Koran gebieten, die Frauen zu schlagen, dann hätte der Prophet hier Allah widersprochen. Das dürfen wir nicht annehmen. Vielmehr war es seine Pflicht, die Offenbarungen von Allah zu befolgen, zu verkünden und dementsprechend im Leben ein gutes Beispiel zu geben.
Aus Anlass dieses Verses floss ab dem ersten Kommentar zum Koran von Imam Tabari (823-923) eine Anekdote in die nachfolgenden Koran-Interpretationen ein. Eine Frau soll zum Propheten gekommen sein und sich über ihren Mann beschwert haben, weil er sie schlug. Der Prophet soll der Frau empfohlen haben, im selben Maße zurückzuschlagen. Dann kam dieser Vers. Daraufhin soll der Prophet Folgendes gesagt haben: „Ich wollte das eine, aber Gott wollte das andere. Und was Gott gewollt hat, muss das Beste sein.“
Ich kann nicht nachvollziehen, wie um Alles in der Welt die Gelehrten zu dem Schluss kommen konnten, dass die Männer ihre Ehefrauen schlagen sollen. Ist ihnen überhaupt bewusst, in was für eine Rolle sie den Propheten und Gott versetzen? Ist der Prophet etwa barmherziger oder gerechter als Allah? Wer kann gerechter oder barmherziger als Allah sein? Warum soll der Prophet etwas anderes als Allah behauptet haben? Der Grund für diesen Widerspruch liegt allein in der patriarchalen Tradition.
Der Prophet hat das befolgt, was Allah verkündet hat. Als seine Frau Aischa verleumdet wurde, Ehebruch begangen zu haben, hat er sie nicht geschlagen. Sie lebten eine Weile, bis der Offenbarungsvers kam, getrennt. Ja, wieder kamen Offenbarungsverse für eine Frau. Die Verse der Sure An-Nur 24:11-16 behandeln den Fall von Aischa.
Sure 24:11 „Diejenigen, die die ungeheuerliche Lüge vorgebracht haben, sind eine (gewisse) Schar von euch. Meint nicht, es sei schlecht für euch; Nein! Vielmehr ist es gut für euch. Jedermann von ihnen wird zuteil, was er an Sünde erworben hat. Und für denjenigen unter ihnen, der den Hauptanteil daran auf sich genommen hat, wird es gewaltige Strafe geben.“ 24:12 „Hätten doch, als ihr es hörtet, die gläubigen Männer und Frauen eine gute Meinung voneinander gehabt und gesagt: Das ist deutlich eine ungeheuerliche Lüge!“
In diesem Fall ist von Ehebruch die Rede. Das ist eine der schlimmsten Sünden. Der Prophet wusste nichts, bis die Offenbarung kam. Er schlug seine Frau nicht. Wenn die Männer sogar bei einem Ehebruch nicht schlagen dürfen, sollen sie ihre Frauen bei einem einfachen Ungehorsam schlagen dürfen? Diejenigen, die diesen Vers so interpretieren, denken nicht wirklich nach. Ich kann auch mit einer anderen Stelle belegen, dass der Koran kein Schlagen von Frauen vorsieht.
Sure 24:6-9 „Für diejenigen, die ihren Gattinnen (Untreue) vorwerfen, aber keine Zeugen haben außer sich selbst, besteht die Zeugenaussage eines (solchen) von ihnen darin, dass er viermal bei Allah bezeugt, er gehöre wahrlich zu denen, die die Wahrheit sagen, und zum fünften Mal (bezeugt), der Fluch Allahs komme auf ihn, wenn er zu den Lügnern gehören sollte. Und es wehrt von ihr die Strafe ab, dass sie viermal bei Allah bezeugt, er gehöre wahrlich zu den Lügnern, und das fünfte Mal (bezeugt sie), der Zorn Allahs komme über sie, wenn er zu denjenigen gehören sollte, die die Wahrheit sagen.“
Hierbei wird im Falle einer Verdächtigung wegen Untreue durch ihren Mann die Aussage der Frau stärker gewertet. Denn beide müssen vier Mal schwören und beim fünften Mal den Fluch Gottes auf sich selbst nehmen, sollten sie nicht die Wahrheit sagen. Am Ende gilt die Aussage der Frau und nicht die des Mannes und die Frau kann sich somit vom Vorwurf der Untreue befreien.
Wenn ein Mann sogar im Falle der Untreue seine Frau nicht schlagen darf und zum Richter gehen muss und noch dazu die Aussage der Frau Gültigkeit hat, kann niemand das Schlagen der Frauen gutheißen, schon gar nicht im Namen des Islam. Das wäre eine Verleumdung gegen Allah, seinen Propheten und den Koran und eine rein patriarchale Interpretation.
Fatma Akay-Türker (2021), Nur vor Allah werfe ich mich nieder: Eine Muslimin kämpft gegen das Patriarchat, Wien: Edition a, S. 201 ff.